Fachkräftemangel ist das Thema Nr. 1

HiBB.online-Interview mit Dominik Jakob, neuer Arbeitnehmer-Vizepräses, und Sabrina Menke, neue Arbeitgeber-Beisitzerin im Kammer-Vorstand

Bei ihrer konstituierenden Sitzung hat die neue Vollversammlung der Handwerkskammer Dominik Jakob als neuen Arbeitnehmer-Vizepräses gewählt. Er übernimmt das Amt von Thomas Sengewald, der künftig als Arbeitnehmer-Beisitzer im Vorstand mitwirkt. Ganz neu im Kammer-Vorstand ist Sabrina Menke. Sie löst Katrin Roßmüller, die sich nicht wieder zur Wahl stellte, als Arbeitgeber-Beisitzerin ab.

HiBB: Bezogen auf das Handwerk: Welches Thema treibt Sie gerade am meisten um?

Menke: Da sind Dominik und ich uns wohl einig: Der Fachkräftemangel. In meinem Gewerk ist die Zahl der Bewerbungen für Ausbildungsplätze in den vergangenen Jahren stetig weniger geworden. Und wenn man fertig ausgebildete Fachkräfte sucht, passt die Qualifikation der Interessierten häufig nicht zu den Anforderungen.

Jakob: Für viele Betriebe ist die große Herausforderung, wie sie ihre Aufträge mit den noch vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abarbeiten können. Handwerker sind rar geworden. Aus Arbeitnehmersicht ist das natürlich auch ein Vorteil. Ich komme ja noch Zeiten, wo man für jede Lohnerhöhung kratzen und betteln musste. Das hat sich komplett geändert. In einigen Bereichen können sich Arbeitnehmer ja fast aussuchen, wo sie arbeiten möchten und zu welchen Konditionen. Beim Thema Arbeitszeiten und Gehälter haben wir heute eine Situation, die wir uns vor 15 Jahren nie erträumt hätten. Und das Gute daran ist, dass auch die Betriebe die erhöhten Kosten weitergeben können. Denn nur, wenn es den Betrieben gutgeht, kann es auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gutgehen.

HiBB: Könnte das im Hinblick auf das Image des Handwerks und damit auf die Nachwuchssuche auch eine Chance sein?

Jakob: Auf jeden Fall. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten haben wir einen enormen Trend zum Abitur und zum Studium beobachtet. Noch heute werden Jugendliche von ihren Eltern oder auch Lehrerinnen und Lehrern zum Abitur und Studium geleitet. Dabei wäre eine Ausbildung im Handwerk, bei der man abends sieht, was man geschaffen hat, für viele sicherlich der bessere Weg. Zudem stehen die Aufstiegsmöglichkeiten, Gehälter oder die Arbeitsplatzsicherheit denen in vielen anderen Berufszweigen in nichts nach.  

Menke: Meinem Eindruck nach sind die meisten Schulen nach wie vor auf die akademische Ausbildung ausgerichtet, nicht auf die berufliche beziehungsweise handwerkliche. Es ist noch immer ein großes Problem, dass Jugendlichen das Handwerk gar nicht mehr nahegebracht wird, und dass oft nicht vermittelt wird, dass man nicht unbedingt ein Abitur braucht, um eine erfolgsversprechende berufliche Laufbahn einzuschlagen.

HiBB: Was muss Ihrer Meinung nach passieren, um das zu ändern?

Menke: Von Seiten der Kammern, Innungen und Betriebe passiert ja schon eine ganze Menge, um den jungen Menschen zu erklären, welche tollen Möglichkeiten sie im Handwerk haben und dass das Handwerk auch künftig attraktiver sein wird als viele andere Berufe, die irgendwann möglicherweise durch künstliche Intelligenz ersetzt werden.

Jakob: Es ist ganz wichtig, dass die Berufsorientierung in den Schulen nicht nur weiter gefördert, sondern auch noch ausgebaut wird. Sie trägt dazu bei, ein Problem zu beheben, das viele Jugendliche heutzutage haben, nämlich die Orientierungslosigkeit. Leider ist zu beobachten, dass häufig der einfachste und bequemste Weg gewählt wird. Und der besteht darin, erstmal weiter zur Schule zu gehen anstatt sich für eine Ausbildung zu bewerben.

HiBB: Wenn man so will, steht die Bekämpfung des Fachkräftemangels bei Ihnen also ganz oben auf der To-do-Liste. Die Kammer hat sich zu Beginn der vergangenen Wahlperiode 2019 aber ja noch drei andere Schwerpunktthemen auf die Fahnen geschrieben, nämlich die Antwort des Handwerks auf den Klimawandel, die Digitalisierung und die Betriebsnachfolge.

Menke: Alles wichtige Themen, die wir weiter im Auge behalten und begleiten müssen. Es sind ja die Menschen aus dem Handwerk, die die zum Beispiel Gebäude mit umweltfreundlicher Technik ausstatten. Die Digitalisierung spielt für die Betriebe eine wichtige Rolle, um auch für die Kundschaft attraktiv zu bleiben, zum Beispiel durch ein modernes Erscheinungsbild und guten Service. In meinem Gewerk ist das zum Beispiel die Möglichkeit, im Online-Kalender Termine zu buchen.

Jakob: Schon heute stehen ja viele Handwerksbetriebe zur Übergabe an, das wird in den kommenden Jahren noch mehr werden. Wenn eine Betriebsübergabe nicht richtig in die Wege geleitet wird, kann viel Know-how verloren gehen, der Betrieb wird von größeren Mitbewerbern aufgesaugt oder muss im schlimmsten Fall schließen. Um das zu verhindern, müssen wir uns dem Thema Nachfolge weiterhin intensiv widmen.

HiBB: Welche ersten Ziele haben Sie sich für Ihre neuen Aufgaben im Kammervorstand gesetzt?

Jakob: Mein wichtigster Orientierungspunkt sind immer die Ausbildungszahlen. Ich hadere mit jedem nicht besetzten Ausbildungsplatz. Mein erstes Ziel ist also, mehr junge Menschen in die Ausbildung zu bringen und die Ausbildungsqualität weiter zu verbessern.

Menke: Als Friseurin und Kosmetikerin habe ich das Anliegen, den Kosmetikberuf aufzuwerten und in die Anlage A der Handwerksrolle zu bringen. Das würde bedeuten, dass zur Eröffnung eines Kosmetik-Betriebs der Meisterbrief erforderlich wäre. Angesichts der verantwortungsvollen Tätigkeit, die im Kosmetikhandwerk ausgeübt wird, wäre das absolut angebracht.

HiBB: Sie sind beide jung und haben sicher noch einige berufliche Ziele. Trotzdem engagieren Sie sich stark im Ehrenamt. Was treibt Sie an?

Menke: Veränderung. Ich wollte schon immer etwas bewegen im Friseurhandwerk. Ich möchte aber auch etwas zurückgeben. Deshalb habe ich irgendwann angefangen, mich im Gesellenprüfungsausschuss einzubringen. Und es ist einfach auch schön, viele junge Menschen kennen zu lernen und sie ein Stück weit auf ihrem Weg zu begleiten.

Jakob: Mich motiviert es, mit verhältnismäßig geringem Aufwand große Dinge bewegen zu können, von denen letztlich viele profitieren. Für die Tätigkeit bei der Kammer motiviert mich auch, neues mitentwickeln zu können und dicht am Zahn der Zeit zu sein.

Dominik Jakob hat nach einer Wahlperiode als Arbeitnehmer-Beisitzer im Vorstand der Handwerkskammer nun das Amt des Arbeitnehmer-Vizepräses übernommen. Seit 2014 ist er Mitglied in der Vollversammlung und im Berufsbildungsausschuss. Der 39 Jahre alte Kfz-Mechaniker und Betriebswirt ist bei der BMW Niederlassung Bremen beschäftigt und hat sich dort schon während seiner Ausbildung ehrenamtlich engagiert, unter anderem in der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung von BMW, später als Betriebsrat und für die IG Metall.

Sabrina Menke gehört dem Vorstand der Handwerkskammer Bremen seit der jüngsten Vollversammlung als Arbeitgeber-Beisitzerin an. Die 37 Jahre alte Friseurmeisterin und ausgebildete Kosmetikerin betreibt seit fünf Jahren ihren eigenen Friseursalon in Bremen Findorff. Außer im Vorstand der Handwerkskammer engagiert sie sich ehrenamtlich als stellvertretende Obermeisterin der Friseurinnung Bremen sowie im Ausschuss Innovation und Kommunikation des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks.