Rund 170 Gäste ließen sich die Gelegenheit auf einen der wohl besten Ausblicke der Hansestadt nicht nehmen und verfolgten gespannt, was Obermeister Hans Jörg Kossmann und Gastrednerin Özlem Ünsal, Bremens neue Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung, zu berichten hatten.
Dass Hans Jörg Kossmann sich dieses Mal mit Kritik an der Bremer Verkehrspolitik zurückhielt, begründete er kurz und knapp: „Zu manchem hier in Bremen fällt mir einfach nichts mehr ein!“
Stattdessen spannte er den Bogen weit über die Grenzen des kleinsten Bundeslandes hinaus und gab seinen Zuhörern so einige Denkanstöße zur gesellschaftlichen Stimmung in Deutschland, zum Frust in vielen Teilen der Gesellschaft und zur allgegenwärtigen Kritik an der Bundesregierung. In das „allgemeine Ampel-Bashing“ stimmte er dabei bewusst nicht ein.
Obwohl überall gejammert und beklagt werde, „dieser oder jener Berufsstand oder vielleicht sogar ganz Deutschland sei am Ende“, ginge es den Menschen in Deutschland im Vergleich zu denen in vielen anderen Ländern immer noch gut. Trotzdem würden Tausende rufen „Die Ampel muss weg!“ „Doch“, so fragte Kossmann, „würden sich dann die großen Probleme sofort in Luft auflösen? Wäre das Haushaltsloch dann weg? Würden unsere Schüler bei PISA plötzlich Spitzenplätze belegen? Hätten Handwerksbetriebe plötzlich ausreichend Bewerber und Schulen genügend Lehrer? Wäre die Bürokratie geringer und würde die Deutsche Bahn plötzlich pünktlich?“
Aufruf zu politischer Fairness
Auch weil die Herausforderungen enorm seien, rief Kossmann zur Fairness gegenüber den Regierenden auf, ohne dabei unkritisch zu sein: „Niemand macht immer alles richtig. Auch diese Bundesregierung nicht. (…). Doch brauchen wir Häme? Oder Menschen, die bereit sind, sich für zukunftsorientierte, langfristig tragfähige Lösungen einzusetzen und zu Kompromissen bereit sind, statt nur die eigenen Maximalforderungen zum persönlichen Vorteil durchsetzen zu wollen?“
Bei seinem Blick auf die Lage der Kfz-Branche übte der Obermeister unter anderem Kritik an den Fahrzeugproduzenten: „Zwar sind unsere Werkstätten zu 90 Prozent ausgelastet. Aber die Hochpreispolitik der Hersteller von Neuwagen macht Kunden zu schaffen, deshalb wird sich der Rückgang bei Neuzulassungen auch in diesem Jahr fortsetzen.“ Mittlerweile müsse man deutlich zur Kenntnis nehmen, „individuelle Mobilität ist für einen Teil der Gesellschaft nahezu unbezahlbar“. Weil auch der Gebrauchtwagenabsatz nicht gut laufe, seien die Konjunkturaussichten insgesamt nicht gut.
Dank an die Conrad Pollmann Stiftung
Umso mehr freut sich Kossmann über die Initiativen der Conrad Pollmann Stiftung zur Unterstützung des Kfz-Berufsnachwuchses. Dank dieses Engagements werden jedes Jahr die besten Auszubildenden des Kfz-Handwerks mit insgesamt 5.000 Euro ausgezeichnet. Außerdem unterstützt die Stiftung fachlichen Nachhilfe für Auszubildende, die mögliche Hürden beim Lernen aus eigenen Antrieb überwinden möchten, mit jährlich 15.000 Euro.
Senatorin Ünsal: „Kfz-Handwerk stärkt Standort Bremen“
Eine Premiere war der Besuch beim Neujahrsempfang der Kfz-Innung für Özlem Ünsal. Mobilität, so die Senatorin, sei nicht nur ein Grundbedürfnis, sondern auch ein Schlüsselfaktor für wirtschaftlichen Erfolg und soziale Entwicklung. „In einer Zeit, in der wir Zeugen von technologischen Innovationen und Veränderungen im Mobilitätssektor sind, müssen wir sicherstellen, dass wir gut vorbereitet sind, die sich uns bietenden Chancen zu nutzen und die Herausforderungen anzugehen.“ Das Kfz-Handwerk spiele dabei eine zentrale Rolle, „indem es nicht nur die Mobilität unserer Bürgerinnen und Bürger unterstützt, sondern auch einen bedeutenden Beitrag zur Wirtschaft und Innovation leistet und auf diese Weise den Standort Bremen stärkt und weiterentwickelt.“
Özlem Ünsal
Ünsal berichtete unter anderem von ihrem Besuch im Kompetenzzentrum Handwerk gGmbH. Es sei beachtlich, welche Leistungen Lehrkräfte und Auszubildende hervorbringen. Ünsal: „Das ist auch notwendig, denn die ständigen und rasanten Fortschritte in der Fahrzeugtechnik erfordern ein sehr hohes Maß an Fachkompetenz und Innovationsbereitschaft.“ Dieser strukturelle Wandel werde sich deutlich auf die Job-Profile der Beschäftigten auswirken. „Dabei gilt es diese Transformation von der politischen Seite zu begleiten, um eine reibungslose Umsetzung, die alle mitnimmt, sicherzustellen.“