Gäste der „Handwerks-Ma(h)l-Zeit“ zeigen Möglichkeiten auf
In den kommenden Jahren stehen etliche Handwerksbetriebe vor einem Generationenwechsel. Wie dieser funktioniert, dafür gibt es kein Patentrezept. Gefragt sind stattdessen individuelle Lösungen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Betriebs berücksichtigen. Wie sie aussehen können, davon konnten sich jetzt die rund 50 Gäste der Handwerkskammer-Talkrunde „Handwerks-Ma(h)l-Zeit“ ein Bild machen.
Die Ausgestaltungsmöglichkeiten einer Betriebsübergabe sind so vielfältig wie das Handwerk selbst. Neben der klassischen Übergabe innerhalb der Familie stehen zum Beispiel die Übergabe an einen oder mehrere Mitarbeitende oder Verkauf des Unternehmens. Auch der Zusammenschluss mit anderen Betrieben ist eine Möglichkeit. Bei der Handwerks-Ma(h)l-Zeit berichteten ehemalige Unternehmer, eine noch aktive Unternehmerin sowie zwei Nachfolger von ihren Erfahrungen. Außerdem gaben sie den Gästen, darunter viele junge Handwerkerinnen und Handwerker, Tipps mit auf dem Weg.
Matthias Horr hat im vergangenen Jahr von seinem Vater Jürgen Horr die Leitung des gleichnamigen Bremer Malereibetriebs übernommen. In der Talkrunde, die von Handwerkskammer-Präses Thomas Kurzke und Hauptgeschäftsführer Andreas Meyer moderiert wurde, fassten er und sein Vater ihre Erfahrungen zusammen. Einen Tipp, den Matthias Horr künftigen Übergebern und Übernehmern gab: Beide Seiten sollten viel miteinander reden und dabei auch mögliche Bedenken und Sorgen ansprechen, um diese lösen zu können.
Martina Komoß möchte ihren Raumausstatterbetrieb künftig an ihren Sohn übergeben. Noch ist es zwar nicht soweit, doch schon heute bringt sich der mögliche künftige Unternehmer aktiv ein und übernimmt peu à peu mehr Aufgaben. Klare Absprachen sind laut Martina Komoß, die den Betrieb selbst von ihrem Vater übernommen hat, bei der Nachfolgeregelung unverzichtbar.
Eine besondere Form der Nachfolgeregelung beschrieb Michael Jendro. Vor einigen Jahren hatte er sein Bremerhavener Unternehmen E+A Elektrotechnik und Aggregatebau im Rahmen eines so genannten Management Buy-out an mehrere Mitarbeitende übergeben. Das Beispiel zeigte noch einmal, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, eine Firma in jüngere Hände zu übergeben und damit auch die Vielfalt des Handwerks zu bewahren.
Video zum Nachschauen: Die zentralen Ausschnitte der Talkrunde zur Unternehmensnachfolge in 28 Minuten:
Tipps für die gelungene Betriebsnachfolge
Kevin Kiefer steht den Mitgliedsbetrieben der Handwerkskammer als betriebswirtschaftlicher Berater zur Seite. Er blickt auf mehrere Jahre Erfahrung in der Wirtschaftsförderung und der Existenzgründungsberatung sowie in der Unternehmensberatung zurück. Im Interview mit HiBB.online gibt er einen Überblick über die wichtigsten Meilensteine, welche Betriebsinhaber, die ihre Firma in jüngere Hände übergeben möchten, ansteuern sollten.
HiBB: Was sind die ersten Schritte, die Betriebsinhaber für einen gelungenen Übergabeprozess einleiten sollten? Und wann sollten diese angegangen werden?
Kiefer: Wir empfehlen ganz generell, sich rechtzeitig Gedanken darüber zu machen, wie es mit dem eigenen Unternehmen weitergehen soll. Die Zeitspanne kann von Fall zu Fall natürlich variieren, empfohlen werden aber meist fünf Jahre vor der angepeilten Übergabe. Dadurch hat man während des Übergabeprozesses genügend Zeit, sich auch auf ungeplante Verzögerungen einzustellen oder ganz neu anzusetzen, wenn zum Beispiel der potenzielle Nachfolger oder die potenzielle Nachfolgerin abspringt. Sinnvoll kann es auch sein, einen konkreten Zeitraum für die geplante Übergabe zu bestimmen, um diesen dann fokussiert ansteuern zu können. Und natürlich sollte man an den Anfang der Überlegungen die Frage stellen, welche Experten und Institutionen zu welchen Einzelthemen beraten können.
HiBB: Wie sehen die wichtigen Schritte nach diesen ersten Überlegungen aus?
Kiefer: Spätestens nach den ersten Planungen sollte man kommunizieren, dass man den Betrieb übergeben möchte. Dazu bieten Plattformen wie nexxt-change.org oder auch die Betriebsbörse der Handwerkskammer Gelegenheit. Wie offensiv man seinen Entschluss nach außen kommuniziert, muss letztlich jeder für sich entscheiden. Das Für und Wider einer offenen Kommunikation kann natürlich auch in der Beratung geklärt werden. Was auf jeden Fall beachtet werden sollte ist, dass Unternehmer auch nach dem Entschluss zur Übergabe den Stand der Technik, nötige Investitionen, Personalstruktur und so weiter nicht vernachlässigen und weiterhin den Markt verfolgen.
HiBB: Über welche Themen sollten sich Betriebsinhaberinnen und -inhaber außerdem noch Gedanken machen, bevor es tatsächlich zur Übergabe kommt?
Kiefer: Die Palette der Themen ist natürlich sehr groß. Was alles beachtet werden muss, dabei kann wiederum die professionelle Beratung sehr hilfreich sein. Beispielhaft kann man folgende Fragen nennen: Habe ich alle wichtigen Institutionen verständigt? Wie hoch sind meine privaten Einnahmen und Ausgaben nach der Übergabe? Habe ich die eigenen Themen wie Krankenkasse, Rente, Vorsorge etc. schon geklärt? Habe ich für mich schon geklärt, wann ich loslassen werde?
Kontakt: Kevin Kiefer, betriebswirtschaftlicher Berater; Tel. 0421 30500-309; E-Mail: kiefer.kevin@hwk-bremen.de
Checkliste zur Betriebsnachfolge: Die ersten elf Fragen, die Sie sich stellen sollten, wenn Sie mit der Planung zur Betriebsübergabe beginnen:
- 1. Wann beginne ich mit Planung der Betriebsübernahme? Zu wann möchte ich mein Unternehmen übergeben?
- 2. Welche Voraussetzungen muss der Übernehmende erfüllen?
- 3. Was möchte ich alles übergeben (Firmenname, Grundstücke, BGA etc.)?
- 4. Ist eine Weiternutzung der Betriebsräume möglich?
- 5. Welchen Stand der Technik besitzt mein Unternehmen?
- 6. Kann/soll der Nachfolgende Ihre Kundschaft übernehmen?
- 7. Wie war in den letzten drei bis fünf Jahren die wirtschaftliche Lage Ihres Betriebs?
- 8. Soll die nachfolgende Person noch eingearbeitet werden bzw. möchte ich selber später noch im Unternehmen arbeiten?
- 9. Wie sieht die Mitarbeiterstruktur aus (Alter, Qualifikation, Betriebszugehörigkeit, Anpassungsfähigkeit etc.)?
- 10. Wie hoch soll der gewünschte Kaufpreis sein?
- 11. Habe ich schon eine Liste erstellt mit allen Personen bzw. Institutionen, die für die Übergabe relevant sind (Steuerberatung, juristische Beratung, Handwerkskammer, Versicherungsinstitutionen, Hausbank, Berufsgenossenschaft, eigene Kranken- und Rentenversicherung, Händler, Kundschaft etc.)?